Einmal rund um den Mont Blanc – ein Tag und 2 Nächte auf den Beinen

Als einer von mehr als 2000 Startern hat Lüder Schulz-Nigmann aus Birlenbach dem Abenteuer UTMB (Ultra Trail du Mont Blanc) am letzten August-Wochenende in Angriff genommen. Die Strecke stellt besondere Herausforderungen an die Teilnehmer – neben 172km Distanz sind gut 10.000 Höhenmeter und 8 Pässe mit mehr als 2000m Höhe zu überwinden. Eine weitere Besonderheit ist, das der Lauf durch 3 Länder führt: Frankreich, Italien und die Schweiz. Der Lauf ist praktisch die Weltmeisterschaft im Ultra-Trail und es ist nötig sich über mehrere Läufe und Jahre hierfür zu qualifizieren. Trotz dieser Vorauswahl erreichen aufgrund der anspruchsvollen Strecke nur ca. 60% der Starter das Ziel. Die Stimmung am Start und an der Strecke war unbeschreiblich und selbst für einen Athleten, der schon viele Wettkämpfe bestritten hat, etwas ganz besonderes. Man spürt das rund um Chamonix die ganze Region wirklich hinter dem Event steht und buchstäblich alle auf den Beinen sind. Wer nicht selbst mitläuft oder als einer der mehr als 2000 Helfer dabei, lässt es sich zumindest nicht nehmen, die Athleten an der Strecke anzufeuern. Lüder Schulz-Nigmann ging das Rennen bewusst konservativ an, da er wusste, dass ein zu hohes Tempo sich später rächen würde. Außerdem wollte er die Strecke so lange wie möglich genießen. So arbeitete er sich über die ersten Zeitnahmen kontinuierlich und ohne größere Anstrengung von Platz 914 über 722, 549 schließlich auf Platz 414 bei km 39 vor. Da der Start am Freitag um 17:00 Uhr erfolgte, ging es hier bereits in die erste Nacht hinein und den ersten hohen Pass (Col du Bonhomme, 2443m) hinauf. Hier zeigte sich zum ersten Mal, dass dem heimischen Athleten das Thema „Höhenluft“ mehr zu schaffen machte, als er sich das vorher vorgestellt hatte und wohl auch mehr als vielen anderen Teilnehmern. Ab hier war es nämlich so, dass Schulz-Nigmann in den höher gelegen Passagen (Durchschnittshöhe der Strecke ca. 1.700m) regelmäßig von „eingesammelt“ wurde und sich gefühlt in Zeitlupe bewegte. Mental war dies nach ca. 6 Stunden Wettkampfzeit und noch nicht einmal einem Viertel der Strecke eine schwierige Situation. Ab hier mussten alle Zielzeiten verworfen und das alleinige Ziel das Finishen sein. Zum Glück spielt die Höhenluft beim Bergablaufen nicht so eine große Rolle und durch relativ kurze Pausen an den Verpflegungsstationen die die Läufer alle 9-17km als wahre Oasen empfingen, gelang es Schulz-Nigmann seine Position bis zum ersten großen Checkpoint in Courmayeur (81km, 4600 Höhenmeter, 14:06 Stunden Laufzeit), annähernd zu halten. Bis hierhin waren dann bereits in völliger Dunkelheit der Col de la Seigne (2516m) , der Col des Pyramides Calcaires (2557m), sowie der Mont Favre (2417m) überwunden mit dem Col de la Seigne auch die Grenze zwischen Frankreich und Itlaien. Besonders beeindruckend waren die beiden Spitzen der Pyramides Calcaires am Streckenrand. Kurz vor dem Pass ging es an einem Schneefeld entlang und es war sehr windig und die Temperatur bei ca. 3 Grad. Die ersten ca. 400 Höhenmeter bergab ging es dann komplett durch das Geröllfeld eines ehemaligen Gletschers. Kurz vor Sonnenaufgang auf dem Weg bergab nach Courmayer ging es viele hundert Meter einen Höhenweg entlang, der den Blick auf den deutlich unterhalb liegenden 10km langen Miage-Gletscher freigab – ein wahrlich majestätischer Anblick – und immer den Mont-Blanc im Hintergrund. Nach einer gut 30-minütigen Pause inkl. Kleiderwechsel machte Schulz-Nigmann sich schließlich als 374. Auf den zweiten Teil der Strecke. Es ging direkt wieder steil bergan zum Refuge Bertone auf gut 2000m, wo er mit dem 353. Platz die beste Platzierung im Verlauf des Wettkampfes erreichte – das Tageslicht setzte offenbar noch einmal einige Kräfte frei. Es schlossen sich nun 12km mit relativ wenig Höhenunterschieden an, bis es schließlich hinab nach Arnouvaz ging. Anschließend wartete dann der sehr steile 4km lange Anstieg zum höchsten und zugigsten Punkt der Strecke, dem Grand Col Ferret (2561m), gleichzeitig die Grenze zwischen Italien und der Schweiz. Nun schloss sich ein relativ langer laufbarer Abschnitt bis Champex-Lac an (125,9km – 7320 Höhenmeter, 24:37 Stunden Laufzeit) – bis hierhin lief es bis auf die Probleme in den höher gelegenen Bergauf-Passagen noch ganz gut und die grandiose Landschaft belohnte für die Anstrengungen. Mittlerweile war es Samstag abends und es stand die zweite Nacht und noch 3 schwere Anstiege an. Da er fürchtete evtl. nicht wieder aufzuwachen, entschloss Schulz-Nigmann sich, zu versuchen möglichst ohne Schlafpausen auch durch die zweite Nacht zu kommen. Dies sollte schließlich auch gelingen. Allerdings waren die 3 letzten Anstiege allesamt extrem Steil und auch technisch recht anspruchsvoll – ebenso die Bergab-Passagen – zudem war jetzt auch die Muskulatur so ermüdet und die Konzentration so schwer aufrecht zu erhalten, dass auch das Bergablaufen Probleme bereitete. Trotzdem ging es immer weiter – schließlich war ja jetzt das Ziel fast schon zum Greifen nahe. Schulz-Nigmann: „Es ist schon ein ganz besonders intensives Erlebnis nach mehr als 30 Stunden auf den Beinen in der 2ten Nacht einen schweren und verblockten Pass mit hohen Stein-, Eisen-, und Holzstufen hoch- und dann wieder abzusteigen. Umso schöner ist das Gefühl nach 39 Stunden und 16 Minuten in Chamonix ins Ziel zu laufen – angefeuert von zahlreichen Zuschauern, die auch am Sonntagmorgen noch oder schon wieder auf den Beinen waren. Ein absolut unvergleichliches Event und Erlebnis, von dem ich noch lange zehren werde.“

Wer mehr über diesen Lauf und weitere Herausforderungen erfahren möchte, die Lüder Schulz-Nigmann absolviert hat, kann ihn am Samstag, 25.09.2021 im Kurhaus Bad Camberg bei einem Vortrag erleben. Weitere Informationen und Anmeldungen unter: Spendenübergabe – Stadtlauf Camberg (stadtlauf-camberg.de)

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